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Dank dem KVG fit für die Zukunft?

(fel) Unsere Branche muss in Zukunft pro Jahr 3.5 Mio. Franken sparen, was mit der Einführung der KVG-Finanzierung erreicht werden soll. Die vier Betriebe Stiftung Kronbühl, das RYHBOOT, die Stiftung Balm und der ovwb haben am Pilotprojekt teilgenommen. Patrick Benz, Geschäftsleiter vom RHYBOOT und Vorstandsmitglied von INSOS SG-AI, zieht eine erste Bilanz.

Ihr wart als RHYBOOT im Pilotprojekt zur KVG-Finanzierung beteiligt. Seit dem Jahr 2020 seid ihr mit dem Thema beschäftigt. Was waren für euch die wichtigsten Erfahrungen?

Die wichtigste Erfahrung, die wir gemacht haben, war, zu sehen, wie belastbar unser Personal war. Wir hatten für die Umsetzung extrem wenig Zeit zur Verfügung – ein gutes halbes Jahr -, und dies neben der Corona-Pandemie. Die neuen administrativen Aufgaben, die Schulungen etc. mussten notabene ohne zusätzliche Ressourcen bewältigt werden. Eine andere wichtige Erfahrung war zu realisieren, dass mit den immer älter werdenden Bewohner*innen der Pflegebedarf zunimmt. Im Betreuungsalltag ist das zwar selbstverständlich, aber durch die Einführung der KVG-Finanzierung wurde uns das Thema auch auf der strategischen Ebene viel bewusster. Wir haben erkannt, was man zusätzlich installieren muss und was es an Veränderungen braucht, um dem demografischen Wandel begegnen zu können.

Das Einführen der KVG-Finanzierung ist ein anspruchsvoller und zeitintensiver Prozess. Welches waren die grössten Stolpersteine?

Der Faktor Zeit. Es gab sehr viele Aufgaben, die in kurzer Zeit bewältigt werden mussten. Zu Beginn des Projekts wussten wir auch nicht viel; wir sind sozusagen ins kalte Wasser geworfen worden. Ständig kam Neues dazu, auf das man wieder reagieren musste. Keine Rede also davon, proaktiv etwas gestalten zu können. Die einzelnen Meilensteine des Projekts waren zudem nicht aufeinander abgestimmt, so dass wir jetzt im Nachgang den Prozess überarbeiten und optimieren müssen. Wir haben uns nicht davor gescheut, externe Hilfe in Form von Beratung, z.B. bez. BESA, beizuziehen. Eine riesige Herausforderung war und ist natürlich immer noch, das richtig ausgebildete Personal zu finden.

Ein Projekt bringt naturgemäss viele Unsicherheitsfaktoren und offene Fragen mit sich. Womit hattet ihr überhaupt nicht gerechnet?

Ich muss es noch einmal sagen: Der Zeitaufwand war riesig. Hätten wir den effektiven Aufwand im Voraus gekannt, hätten wir uns wahrscheinlich auch die Frage gestellt, ob wir uns als RHYBOOT als Pilot zur Verfügung stellen wollen. Es mussten unglaublich viele Aspekte und Punkte berücksichtigt werden. Ich habe während der Umsetzung den Eindruck erhalten, dass auch der Kanton nicht alle Aspekte von Beginn der Umsetzung kannte. Noch jetzt gibt es Dinge, deren Handhabung unklar ist (sind), wie die Ausbildungsverpflichtung oder das elektronische Patientendossier. Jetzt, nachdem wir uns durch die Sache durchgekämpft haben, bereuen aber nicht, dass wir diesen Beitrag für den Kanton und die Branche geleistet haben. Wir haben auch viel gelernt. Zudem bin ich skeptisch, ob lineare Kürzungen bei der Leistungsabgeltung eine bessere Alternative gewesen wären, um zu sparen. Ob eine lineare Kürzung allenfalls gar ein Personalabbau und/oder eine Verschlechterung der Qualität der Dienstleistungen nach sich ziehen würde?

Was waren Highlights?

Das grösste Highlight war für mich, wie sich einerseits das Personal gegenseitig unterstützt hat und andererseits aber auch, wie das Personal die Geschäftsleitung im ganzen Prozess unterstützt hat, so dass es uns gelungen ist, die Einführung der KVG-Finanzierung in so kurzer Zeit umzusetzen. Wir haben diese Aufgabe nicht gesucht, das Personal hat trotzdem das Beste gegeben, um bis zur Einführung am 1. Juli 2021 parat zu sein. Sehr erfreulich ist auch, dass wir jetzt drei Personen im Pflegeteam haben. Das ist nicht selbstverständlich, denn der medizinisch-pflegerische Teil hat bei unserer Arbeit nicht den gleichen Stellenwert wie in einem Spital oder in einem Pflegeheim. Bei diesen Fachpersonen besteht die Gefahr der Unterforderung und dass man sie dann halten kann. Dass wir nun mehr pflegerisches Personal angestellt haben, bringt auch einen Mehrwert punkto Qualität. Unser angestammtes Personal hat auch früher schon eine gute Arbeit in der Pflege gemacht, aber jetzt eröffnen sich noch einmal neue Perspektiven, was sich positiv auswirkt. Wir sind insgesamt kompetenter geworden und sind gut aufgestellt für die Zukunft.

Das Projekt ist zwar abgeschlossen und ihr seid auf der Pflegeheimliste, aber damit gehört die KVG-Finanzierung noch nicht zum «courant normal» eurer Arbeit. Welchen Herausforderungen seht ihr euch gegenwärtig gegenüber?

Die grösste Herausforderung ist, dass wir die verlangte Personal-Quote erfüllen, die es braucht, um die Qualität der Pflege gewährleisten zu können. Der derzeit herrschende Fachkräftemangel verunmöglicht eigentlich die Erfüllung der Quote. Wir wissen derzeit auch noch nicht, wie die Qualitätsüberprüfungen vonstattengehen werden und mit wie viel Aufwand das verbunden sein wird. Wir müssen ja mit zwei Systemen arbeiten, dem IBB und BESA, die komplett anders ausgerichtet sind. Damit richtig abgerechnet werden kann, muss man sich bei allen Tätigkeiten fragen, für wen man sich welche Notizen macht, damit die Dokumentation das Richtige für den jeweiligen Finanzierer abbildet. Dieser Lernprozess wird noch etwas dauern.

Was würdest du Betrieben empfehlen, die im Entscheidungsprozess stehen, ob sie die KVG-Finanzierung einführen wollen?

Diese Institutionen müssen darauf pochen, dass sie von Anfang an eine umfassende Checkliste mit allen wichtigen Fakten bekommen, die man abarbeiten muss, verbunden mit einem verbindlichen Zeitplan und Meilensteinen, die gut aufeinander abgestimmt sind, damit Leerläufe vermieden werden. Wir haben bereits eine erste grobe Checkliste erstellt, die aber vom AfSO noch ergänzt werden muss mit Hintergrundinformationen. Wenn man das nötige Grundlagenwissen hat, können auch die richtigen Personen für die Projektgruppe bestimmt werden. Dann würde ich empfehlen, möglichst früh festzustellen, welches Personal man braucht, um den Rekrutierungsprozess rechtzeitig aufgleisen zu können. Entscheidend ist auch, dass die Schnittstellen gut funktionieren, z.B. bei den Klientendossiers. Auf jeden Fall können die Betriebe, welche die KVG-Finanzierung neu einführen, jederzeit auf uns vier Pilotbetriebe zukommen, um von unseren Erfahrungen zu profitieren.